"Rotkäppchen raucht auf dem Balkon" von Wladimir Kaminer

Den Rechner abstürzen zu lassen, damit die Großmutter Besuch von den Enkeln bekommt, ist laut Wladimir Kaminer eine wunderbare Idee. Damit kennt sich die Jugend aus und schon bald schnell herbei, um der mit diesen Dingen überforderte Generation hilfreich zur Seite zu stehen. Auch ihr altes Handy opfern sie gern, damit die Großmutter endlich mit ihren Freundinnen kommunizieren kann. Dass sie damit ihren Vater zum Elternteil seiner eigenen Mutter machen, haben sie zu keiner Zeit geahnt. Denn die einst aktivierte Kindersicherung fragt nun regelmäßig bei ihm an, ob die Großmutter ein neu entdecktes Spiel spielen darf. Ein amüsanter Nebeneffekt, wenn das einst vergebene Passwort vergessen ist und die Großmutter eine neue Welt für sich entdeckt. 

Geschichten aus dem Familienleben, wie sie nur ein schalkhafter Mensch ausschmücken kann, werden hier von dem bekannten russischen Autor präsentiert. Ein Augenzwinkern ist immer dabei, wie auch seine Mutter, seine Tochter und sein Sohn. Nur Olga als seine Ehefrau macht sich rar und schickt mit Vorliebe den Kater Fjodor Dostojewski vor. Das von allen geliebte Familienmitglied hat nur einen Makel. Es erleichtert sich mit steter Regelmäßigkeit in jeden neuen Schuh, wobei er die limitierten Sneakers eines amerikanischen Rappers nicht mit seinen Hinterlassenschaften markiert. Woran das wohl liegen mag? 

Es ist immer wieder erstaunlich, wie oft sich der Leser in den kleinen Alltagsgeschichten von Wladimir Kaminer entdeckt. Sei es bei der automatischen Texterkennung von Smartphones, die aus Google einen Gockel machen oder bei der Begeisterung für fleischfressende Pflanzen, deren Fütterung gerne merkwürdige Züge annimmt. Auch Heidi Klump als die böse Stiefmutter der deutschen Version von Aschenputtel schaut er gerne und wettert trotzdem über das dort präsentierte Schönheitsideal. Sie lassen sich eben gut lesen, die kleinen Familiengeschichten aus russisch-deutscher Sicht, die mit großen Katastrophen und minder großen Dramen in Erscheinung treten und kritisch beäugt eine interessante Denkweise präsentieren. 

Fazit und Bewertung: 
Mit viel Humor und guter Beobachtungsgabe erzählt Wladimir Kaminer Episoden aus seinem Familienleben, in dem drei Generationen aufeinandertreffen und jeder für sich gesehen liebenswert und merkwürdig ist. 

Sonntag, 11. Oktober 2020




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit Nutzung dieses Formulars erklärst Du Dich mit der Speicherung & Verarbeitung Deiner Daten durch diese Website einverstanden. Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://krimines-buecherblog.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.