"Mittagsstunde" von Dörte Hansen

Ein Dorf hoch im Norden, das geprägt wird von den Eigenheiten seiner Bewohner, steht im Mittelpunkt der Erzählung von Dörte Hansen, die das Leben innerhalb der eingeschworenen Gemeinschaft beschreibt. Dort grüßt jeder jeden, zum Feierabend gibt es im Dorfkrug ein Bier und Alt und Jung verstehen sich ohne, dass viel geredet wird. Doch ganz allmählich schleichen sich in das geregelte Dorfleben Änderungen ein und die Dinge sind plötzlich nicht mehr so, wie man sie kennt. Denn nicht nur die Kinder werden flügge und ziehen weg, auch das Land fällt einer Flurbereinigung zum Opfer und wird neu aufgeteilt. Und mittendrin verrichten die Alten ihr Tagwerk, als wäre nichts geschehen, während um sie herum neue Wohngebiete und Straßen entstehen.

"Mittagsstunde" ist nach "Altes Land" der zweite Roman von Dörte Hansen, in dem es um das veränderte Leben auf dem Land und um seine neuen und alten Bewohner geht. Mit viel Empathie versteht sie es, ihren Figuren einen nachvollziehbaren Charakter zu verleihen und sie so zu schildern, wie sie sind. Angefangen mit Söhnke, der im Alter noch einmal die Rolle des Vaters annimmt und sein im Stich gelassenes Enkelkind wie den eigenen Sohn aufzieht. Über seine Tochter Merit, die nicht ganz richtig im Oberstübchen ist, im Dorf aber einen festen Platz einnimmt oder Ella, die plötzlich in fließenden Gewässern lebt und ihn mit Vorliebe kneift. Und dann gibt es da noch die Kinder, die ihren Nachbarn ähnlicher, als den eigenen Eltern sehen und den Pfarrer, der mehr Herzblut in die Bestattung der toten Tiere legt, als in den Gottesdienst zuvor. Ein sehr eigenes Volk, das über Jahrzehnte zusammengewachsen ist und nun den Ausläufern des Fortschritts weichen muss.

Gelesen wird der von einem unumgänglichen Neubeginn erzählende Roman von Hannelore Hoger, die das authentische Geschehen in einer eher emotionslosen Weise darzubieten versteht. So drängt sie den völlig unterschiedlichen Figuren und den mit ihnen einhergehenden Begebenheiten weder einen eigenen Stempel auf, noch wertet sie diese. Vor allem dadurch verhilft sie ihnen zum Leben, weil sie sie in ihrer ganzen Knorrigkeit in Erscheinung treten lässt und ihnen die ans Licht drängenden Mängel in gewisser Weise verzeiht. Manchmal dadurch, indem sie für sie singt, ein anderes Mal, weil sie ihren Dialekt annimmt. Eine Interpretation, die vor allem wegen ihrer Schlichtheit als gelungen bezeichnet werden kann und viel von den Gefühlen und Eigenheiten der Dorfbewohner verrät.

Fazit:
Ein wunderbar authentisches Hörbuch, das völlig unspektakulär den Wandel eines Dorfes und seiner Bewohner beschreibt und dabei angenehm kurzweilig und unterhaltsam ist.

Mittwoch, 26. Dezember 2018

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