"Blinder Glanz" von Anders Roslund und Börge Hellström


Zweiunddreißig unerledigte Fälle sind es, die Hauptkommissar Ewert Grens den Schlaf rauben. Ordentlich gestapelt, in Mappen verpackt, liegen sie auf seinem Schreibtisch und nehmen ihm die Sicht. Aber nicht nur sie nehmen einen großen Platz ein im Leben des oftmals mürrischen Hauptkommissars ein. Auch seine Frau Anni, die seit sechsundzwanzig Jahren in einer Art Wachkoma lebt und das, weil er ihr über den Kopf gefahren ist, beansprucht seine Zeit. Doch zunächst einmal wird Ewert Grens zu einer Leiche gerufen, die der Hausmeister des St.-Görans-Krankenhauses im Keller gefunden hat. Schlimm sieht sie aus, die tote Frau, mit fehlenden Stücken im Gesicht und auch ihre Brust und ihr Bauch sind durch eine Unmenge von Messerstichen zerfetzt. Siebenundvierzig Mal hat der Mörder auf sie eingestochen. Danach waren die Ratten an ihr dran, bevor sie, von wem auch immer, aus dem unterirdischen Tunnelsystem Stockholms in den Keller des Krankenhauses gebracht worden ist.

In derselben Nacht werden dreiundvierzig zugedröhnte rumänische Kinder mitten in der Stadt abgeladen. Kinder, die alle gleich gekleidet sind, braune Plastiktaschen haben und nicht wissen, wo sie sind. Auch diesen Anruf nimmt Ewert Grens entgegen und hat nun vierunddreißig Fälle, die ungelöst auf seinem Schreibstich liegen. Wie soll man da nicht ins Zweifeln kommen, an einer Gesellschaft, die ihrer Verantwortung nicht nachkommen will.

Das schwedische Autorenduo Anders Roslund und Börge Hellström haben mit ihrem vierten Roman „Blinder Glanz“ erneut ein Statement geliefert, in dem sie die tiefsten Abgründe einer Gesellschaft anprangern, in der sie leben und die Hoffnung haben, ihre Leser zum Nachdenken zu bringen. Denn schon allein der Fakt, dass Kinder wie Abfall in europäischen Städten abgeladen werden, ist ungeheuerlich. Straßenkinder, die niemand braucht, die man loswerden will, so beschreiben die Autoren die Situation. Und warum leben Menschen in unterirdischen Tunnelsystemen, dort wo Ratten und Krankheiten angesiedelt sind oder werden aus Kliniken geworfen, weil sie obdach- und mittellos sind? Fragen, die aufgeworfen werden und für die es keine Antworten gibt.

Mit einem Schreibstil, der durch viele Aufzählungen etwas holprig erscheint, schildern die Autoren gekonnt die Zustände, die insbesondere in Stockholm aber auch in anderen europäischen Großstädten an der Tagesordnung sind. Doch hat man sich erst einmal eingelesen und Aneinanderreihung der sehr bildhaft geschilderten Geschehnisse und Orte akzeptiert, wird der Vorteil klar, der in dieser Art der Darstellung liegt. Denn durch sie wird der Leser mitten ins Geschehen hinein katapultiert und sieht förmlich vor sich, was alles im Argen liegt.

Gekonnt eingefügt in das düstere Geschehen ist Hauptkommissar Ewert Grens, der, gespickt mit menschlichen Schwächen, vielschichtig und realistisch in Erscheinung tritt. Und trotz einiger Übertreibungen, wie zum Beispiel dem Fakt, dass er schon zwei Nächte am Stück nicht schläft und weiterhin voll im Einsatz ist, fiebert der Leser mit ihm mit, ermittelt in den Katakomben von Stockholm oder besucht seine Frau Anni am Krankenbett. Eine Figur, die polarisiert und schlicht und einfach alle anderen Beteiligten in den Schatten stellt. So wurden alle weiteren Charaktere anspruchslos und eindimensional dargestellt und treten nur ins Geschehen, wenn man sie braucht. Eine bewusste Entscheidung der Autoren, denen es dadurch gelingt, das Augenmerk der Leser auf die Zustände in Schweden zu lenken, die einfach nicht tragbar sind.

Fazit:
„Blinder Glanz“ ist ein typisch schwedischer Kriminalroman, der sich düster und depressiv präsentiert und vor allem die dunklen Seiten Schwedens zeigt. Trotzdem ist er aber auch lesenswert und das vor allem für Krimiliebhaber, die sich auch mal mit ernsteren Themen 


Sonntag, 28. April 2019

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